Arbeitsschutz und Bürokratie: Brauchen wir wirklich mehr Deregulierung – oder mehr Mut im Betrieb?

Was können wir im Arbeitsschutz weglassen?

Gibt es zu viel Bürokratie im Arbeitsschutz? Was könnte man weglassen, ohne das Schutzniveau zu senken? Diese Fragen werden derzeit intensiv diskutiert – nicht zuletzt seit der VDSI Ende September sein Positionspapier „Deregulierung & Arbeitsschutz“ veröffentlicht hat.

Ich bin bei der Debatte zwiegespalten. Denn:

 

Weniger Regeln = mehr Wirksamkeit? Nicht überall.

Es gibt Unternehmen, die im Arbeitsschutz gerade so viel machen, wie sie müssen – nicht mehr, nicht weniger. Wenn man ihnen künftig weniger vorschreibt, werden sie nicht plötzlich kreativer oder wirksamer handeln, sondern schlicht noch weniger tun. Der Gedanke „Weniger Bürokratie schafft mehr Raum für echte Prävention“ funktioniert dort nicht.

Die Guten brauchen keine Deregulierung von oben - sie können sie selbst gestalten

Ganz anders bei den Unternehmen, die Arbeitsschutz ernst nehmen, weil ihnen die Menschen wichtig sind. Diese haben schon heute viele Möglichkeiten, Dinge schlanker, unkomplizierter und weniger formalistisch zu gestalten.

Denn oft entsteht Bürokratie nicht durch Gesetze – sondern durch eigene Regeln, Formulare und Routinen, die sich über Jahre angesammelt haben. Immer wieder kommt etwas Neues dazu. Aber: Wann wird eigentlich mal ausgemistet? Also eigene Bürokratie im Arbeitsschutz abgebaut?

Aufräumen im eigenen System - ohne politische Vorgabe

Für dieses Ausmisten braucht es keine neuen Gesetze, sondern vor allem eins: Mut.
Mut zu entscheiden: „Das brauchen wir nicht mehr.“
Mut, auch mal Nein zu überholten Routinen zu sagen.

Doch genau hier entsteht schnell Widerstand:
„Wie? Weniger Arbeitsschutz?“
„Wollen wir jetzt Risiken eingehen?“
Oder zynisch: „Sicherheit ist wohl doch nicht mehr so wichtig.“

Gute Kommunikation ist der Schlüssel

Wer alte Pflichten streicht, muss deutlich machen: Es geht nicht um weniger Schutz – sondern um mehr Wirkung.
Wir wollen:

  • uns auf die großen Risiken konzentrieren

  • Freiraum schaffen für das, was wirklich schützt

Solche Entscheidungen darf und soll niemand allein treffen. Es braucht ein Team – und ein faires Verfahren, um sachlich statt emotional zu diskutieren.

Mein Vorschlag: Systemisch Konsensieren

Was ist Systemisches Konsensieren – und warum eignet es sich gerade für sensible Themen wie Arbeitsschutz?

Systemisches Konsensieren ist ein Entscheidungsverfahren, das nicht nach Mehrheiten sucht, sondern nach Lösungen mit dem geringsten Widerstand. Alle Beteiligten bewerten verschiedene Vorschläge danach, wie stark sie dagegen sind – auf einer Skala von 0 (kein Widerstand) bis 10 (maximaler Widerstand).

Der Vorschlag mit der geringsten Ablehnung gewinnt – nicht der mit dem lautesten Applaus. Dadurch entsteht keine „Sieg-Verlust-Situation“, sondern eine Entscheidung, mit der alle leben können.

Gerade in emotional aufgeladenen Bereichen wie Arbeitsschutz, wo Sicherheitsempfinden sehr unterschiedlich ist, verhindert dieses Verfahren Grabenkämpfe. Statt „Wer ist dafür?“ heißt es: „Womit können wir alle am besten leben?“ – und genau das sorgt für Akzeptanz und echten Rückhalt im Team.

Die Leitfrage könnte lauten:

„Welche Arbeitsschutz-Aktivität können wir vereinfachen oder weglassen – ohne unser Schutzniveau zu senken?“

Damit entstehen keine faulen Kompromisse, sondern tragfähige Teamentscheidungen, hinter denen alle stehen. Und ganz nebenbei gewinnt man Zeit – für die Maßnahmen, die wirklich sicheres Arbeiten fördern.

Fazit

Ich begrüße die große Bürokratie-im-Arbeitsschutz Debatte – aber statt auf politische Lösungen zu warten, sollten Betriebe bei sich selbst anfangen.

Nicht fragen: Was kann der Gesetzgeber streichen?
Sondern: Was können wir weglassen oder vereinfachen?

Das hat garantiert mehr positive Wirkung auf den Arbeitsschutz – und zwar ab sofort.

 

Unterstützung für gemeinsame Entscheidungen

Ihr möchtet im Arbeitsschutz aufräumen aber ohne nervenzehrende Diskussionen?

Ich unterstütze euch bei der Moderation und mit systemischem Konsensieren.

Fortbildung Arbeitsschutz gemeinsam voranbringen

Du möchtest selbst lernen, wie du gemeinsame Teamentscheidungen moderieren kannst?

Im April 2026 biete ich zusammen mit Alexio Schulze-Castro ein Seminar für Systemisches Konsensieren an - speziell für Führungskräfte und Arbeitsschutz Experten.