6 Tipps für eine Unfallkommunikation, die zu einer guten Sicherheitskultur beiträgt

Erste Hilfe Kasten in Produktionsumgebung

Arbeitsunfälle richtig kommunizieren - warum und wie?

Besonders nach Arbeitsunfällen, bei denen es keine klare technische Ursache gab, werden gerne Rufe laut nach “wir müssen die Mitarbeitenden besser für Arbeitsschutz sensibilisieren”. Wenn der Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin das Problem rechtzeitig erkannt hätte, wäre der Unfall nicht passiert. Es wäre alles einfacher und wir könnten uns die ganze Zeit und Diskussionen über den Arbeitsunfall schenken. Tja. Er oder sie hatte es aber nicht im Fokus und in den meisten Fällen ist es auch gar nicht deren Schuld. Viele Faktoren tragen zu einem Unfall bei und Schuldige suchen ist an dieser Stelle absolut nicht zielführend. Eine ordentliche Unfallanalyse ist unverzichtbar, wenn man aus den Fehlern lernen und den Arbeitsschutz voranbringen will.

Damit Arbeitsschutz im richtigen Moment präsent ist, braucht es eine gute Sicherheitskultur und viele, viele regelmäßige Impulse, die uns daran erinnern. Erinnern ja, aber bitte nicht langweilen. Ein schmaler Grat.

Eine sehr naheliegende Gelegenheit für einen Präventionsimpuls, um Mitarbeitende zu sensibilisieren, bieten Unfälle und Beinaheunfälle, die bereits im Unternehmen passieren.

Hier sind 6 Tipps, wie man diese so nutzt, dass sie die Sicherheitskultur stärken.

 

1. Alle Unfälle und auch relevante Beinaheunfälle kommunizieren

Aus Fehlern lernen ist klug. Unfälle, die bereits passiert sind, zeigen ein reales Risikopotenzial im Unternehmen. Es könnte also jederzeit wieder passieren, wenn das Risiko unverändert bleibt. Unfälle, Beinaheunfälle und Erste Hilfe Fälle sollen gut untersucht und bewertet werden. Anschließend sollen sie im Unternehmen kommuniziert werden, um sicher zu stellen, dass die Firma daraus lernt. Ich würde alle Unfälle und die relevanten Beinaheunfälle und Erste Hilfe Fälle kommunizieren.

Solche Berichte über Unfälle im eigenen oder nahen Arbeitsbereichen helfen auch gegen den sich einschleichende Trugschluss “bei uns passiert schon nichts”, oder “es ist doch noch nie etwas passiert”.

Wie entscheidet man, welche Beinaheunfälle kommuniziert werden sollen? Diese Frage würde ich nach dem prüfen von Tipp 5 beantworten. Für welche wichtige Arbeitsschutz-Botschaft oder -Regel dient der Vorfall als Beispiel oder Warnung? Wenn beispielsweise ein Mitarbeiter Isopropanol ins Auge bekommen hat, konnte er das Auge mit Augenspülung ausspülen und es ist nichts weiter passiert. Ein Erste-Hilfe-Fall. Wäre das gleiche mit einer anderen Chemikalie passiert, wäre es sicher schlimmer ausgegangen. Trage beim Umgang mit Chemikalien immer deine PSA, in diesem Fall Schutzbrille, wäre die passende Botschaft, die sich wunderbar mit diesem Erste-Hilfe-Fall kommunizieren lässt.

2. Alle im Unternehmen einbeziehen

Arbeitsschutz im Unternehmen geht alle an, auch Büroleute. In die Unfallkommunikation sollen deswegen auch alle eingezogen werden, inklusive Führung, HR, Einkauf und Finanzen. Sie alle haben einen Einfluss auf die Sicherheitskultur im Unternehmen, auch wenn sie sich dessen nicht immer bewusst sind. Eine gute Unfallkommunikation erinnert sie daran.

Mehr dazu, welchen Einfluss andere Abteilungen außerhalb der Produktion auf die Sicherheitskultur haben, habe ich in diesem Fachartikel im Sicherheitsingenieur beschrieben.

3. Besser in Geschichten kommunizieren als mit puren Fakten

Nun stellt sich die Frage, wie man den Unfall kommuniziert. Zu meiner Zeit als leitende Fachkraft für Arbeitssicherheit im Betrieb wurden Powerpoint-Folien erstellt. Es wurde sachlich berichtet, was geschehen ist und welche Verletzungen sich die verunfallte Person zugezogen hatte. Oft war noch ein Foto dabei sowie ein Verweis auf eine Arbeitsschutz-Regel. Das wurde dann ausgehängt, per Mail verteilt und idealerweise auch in Team-Meetings besprochen. Wirkung? Minimal. Nur wenn der Unfall inhaltlich besonders gut passte, konnten die Mitarbeitenden damit etwas anfangen.

Anders wird es, wenn wir die ganze Geschichte erzählen, inklusive Gedanken, Emotionen. Dann wird es lebendig, die Zuhörer können sich mit der Situation verbinden und auch eher reflektieren, wie sie selbst gehandelt hätten. Daraus kann sich dann ein wertvolles Gespräch über Arbeitsschutz im jeweiligen Team entwickeln. Geschichten mit Bildern und Emotionen kommen auf jeden Fall bei den Zuhörenden besser an, regen zum Austausch an und bleiben im Kopf. Damit die Botschaft möglichst lange wirkt.

4. Perspektivwechsel: prüfen welche Botschaft ankommt

Wenn man lediglich die Fakten eines Unfalls kommuniziert, sind die Vorkommnisse manchmal so speziell, dass Mitarbeitende aus anderen Abteilungen damit nichts anfangen können. Bei ihnen bleibt dann lediglich hängen “es hat mal wieder jemand nicht aufgepasst”. Das ist keine Botschaft, die hilfreich ist, um den Arbeitsschutz voran zu bringen. Es hinterlässt ein Gefühl von Ohnmacht, weil das Arbeitsschutz-Ziel so nicht erreicht werden kann und Überheblichkeit über die vermeintliche Unfähigkeit der Kollegen.

Wenn man den Unfall als Geschichte erzählt und einfließen lässt, dass gleichzeitig das Telefon klingelte, die Person gerade in Eile oder kurz vor Feierabend war, gibt es Anknüpfungspunkte für Botschaften, die alle betreffen und relevant sind. Z.B. “Wie bleibst du konzentriert, wenn die Arbeit gerade risikoreicher ist?”, “Wann bist du abgelenkt?”, “Wie stellen wir sicher, dass wir nur intakte Arbeitsmittel verwenden?” Es ist wichtig, die Unfallkommunikation vor dem veröffentlichen aus einer anderen Perspektive zu betrachten. Was kommt bei den Mitarbeitenden an? Erst wenn man sicher ist, dass die richtige Botschaft ankommt, sollte man sie veröffentlichen.

5. Die Unglücksraben nicht an den Pranger stellen

Wenn man die Unfallkommunikation rein faktenbasiert erstellt und nicht gründlich überprüft, was die Botschaft ist, könnte auch ein “wie kann man nur so blöd sein” bei der Belegschaft ankommen. Das ist besonders kontraproduktiv, wenn sich herumspricht, wer der Unglücksrabe war. Für die verunglückte Person wird es unangenehm. Es wird über sie geredet und getuschelt, so dass sie sich beim nächsten Mal vielleicht zweimal überlegt, ob es nicht doch eine Möglichkeit gäbe, den Unfall nicht zu melden. Andere, die das ebenfalls beobachten und nicht in eine solche Situation geraten möchten, könnten das verheimlichen ebenfalls überlegen. Das soll nicht passieren.

Die Unfallkommunikation soll wertschätzend und respektvoll sein. In manchen Situationen kann es sinnvoll sein, einen sympathischen Mitarbeiter-Avatar als Unglücksraben zu verwenden, um die verunglückte Person zu schützen.

Hierzu gibt es einen passenden Artikel bei Haufe: „Wie kann man nur so blöd sein“ – Wie man Arbeitsunfälle richtig kommuniziert

6. Gute Gespräche ermöglichen

Die Unfallkommunikation erreicht dann am meisten, wenn in den Teams ein Austausch dazu stattfindet. Wenn die Führungskräfte oder Schichtleiter erzählen oder zeigen, was passiert ist, und anschließend mit den Mitarbeitenden ein Gespräch dazu führen. Mit Fragen wie:

“Könnte so etwas bei uns auch passieren?”

“Wie hättet ihr gehandelt?”

“Gibt es bei uns auch Risiken, wo es brenzlig wird, wenn man mal abgelenkt ist?”

“Wie geht man bei uns mit defekten Arbeitsgeräten um?”

Da Geschichten auch dazu anregen, selbst etwas zu erzählen, kann es sein, dass Mitarbeitende daraufhin von ähnlichen Situationen erzählen, die sie selbst schon mal erlebt haben. Eventuell erfahren wir damit von einer bisher unbekannten Gefahrstelle, die präventiv behoben werden kann. Genau das, was eine gute Sicherheitskultur ausmacht.

Fazit: Gute Unfallkommunikation ist nicht einfach, aber lohnt sich

Gute Unfallkommunikation ist kein Selbstläufer – aber ein kraftvolles Werkzeug für gelebte Sicherheitskultur. Wer Unfälle wertschätzend, lebendig und mit klarer Botschaft kommuniziert, schafft echte Lernimpulse. Es geht nicht darum, Schuldige zu benennen, sondern darum, gemeinsam besser zu werden. Je mehr Menschen sich einbezogen fühlen und je greifbarer die Geschichten sind, desto stärker wirken sie. So wird jeder Vorfall – egal wie glimpflich – zu einer echten Chance für mehr Aufmerksamkeit, mehr Miteinander und mehr Sicherheit im Arbeitsalltag.

Wenn man es sich und den Vorgesetzten leichter machen und dabei noch effektiver kommunizieren möchte, kann man die Unfallkommunikation uns übertragen. Wir machen aus puren Fakten Geschichten, die berühren, und gestalten sie als professionelle Videoclips mit einer Botschaft zum Nachdenken.

Hier gibts's weitere Infos sowie ein Beispiel-Videoclip: